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Elektromobilität verändert Reifenherstellung

20.02.2018
von Joachim Göres | Schwäbische Zeitung

Dieselskandal hin oder her – weltweit sind immer mehr Fahrzeuge unterwegs und davon profitieren auch die Reifenhersteller. Bei der internationalen Fachmesse Tire Technology Expo 2018, die bis zum heutigen Donnerstag in Hannover läuft, blicken viele Aussteller optimistisch in die Zukunft.

„Seit dem Dieselskandal sind unsere Anlagen für die Rollwiderstandsprüfung stärker gefragt, weil man damit den tatsächlichen Einfluss der Reifen auf den Fahrzeugverbrauch beziehungsweise auf die Emissionen genauer ermitteln kann“, sagt Markus Kramer. Er ist für den Verkauf von Reifenprüfsystemen bei dem weltweit rund 140 000 Mitarbeiter zählenden Konzern ZF Friedrichshafen AG zuständig.

Neue Prüftechnik

Die in Passau gefertigten Anlagen werden laut Kramer auch noch aus anderen Gründen zunehmend verkauft: „E-Fahrzeuge sind deutlich leiser als konventionelle Pkw, da fällt das Reifen- und Getriebegeräusch stärker auf. Wir haben dafür eigene Prüfmaschinen entwickelt, mit denen man Antriebs- und Reifengeräusche analysieren kann.“ In Zukunft werde für das autonome Fahren eine ganz neue Prüftechnik gebraucht. „Der Umsatz für unsere Testsysteme wächst jedes Jahr stabil, auch für 2018 rechne ich wieder mit einem leichten Plus“, sagt Kramer.

Die Beckhoff Automation GmbH & Co. KG, die in Ravensburg mit einer Niederlassung vertreten ist, liefert Automatisierungslösungen auf der Grundlage PC-basierter Steuerungstechnik. Diese Technik ist wegen steigender Anforderungen in der Reifenproduktion zunehmend gefragt. „Winterreifen müssen heute Tempo 210 bei Tests aushalten, die Traglasten wie beim SUV werden immer höher. Die Zahl der Bearbeitungsschritte in der Reifenproduktion nimmt dadurch zu. Unsere Steuerungskomponenten sorgen dafür, dass sich die Fertigungszeit dabei nicht erhöht“, sagt Ralf Eulig, für das Großkundengeschäft zuständig. Eulig rechnet auch künftig mit einem steigenden Bedarf an Steuerungstechnik bei der Produktion und der Prüfung von Reifen, unter anderem wegen strengerer Vorschriften im Arbeitsschutz. 3350 Beschäftigte weltweit erwirtschafteten im vergangenen Jahr einen Umsatz von 680 Millionen Euro, Tendenz steigend.

„Der Markt boomt, es wird weltweit investiert. Asiatische Reifenhersteller bauen neue Werke in den USA und Europa, das ist für uns eine große Chance, denn wir kennen die hiesigen Normen und haben so gegenüber asiatischen Zulieferern einen Vorteil“, sagt Rochus Hofmann, Geschäftsführer der Zeppelin Systems GmbH aus Friedrichshafen. Das Unternehmen liefert Anlagentechnik zur Herstellung von Gummimischungen für Reifenwerke, die in Friedrichshafen entwickelt und teilweise hergestellt wird. Auch in Asien wird produziert, für den dortigen Markt. „Das meiste Wachstum haben wir in China und Indien, weil dort die Aufträge stark zunehmen. Das sichert auch die Arbeitsplätze in Deutschland“, so Hofmann. Rund 500 der weltweit 1400 Beschäftigten arbeiten in Friedrichshafen, der Umsatz lag zuletzt bei knapp 330 Millionen Euro. Hofmann erwartet, dass durch die Zunahme der E-Mobilität sich die Reifenherstellung verändern wird – derzeit sei die Produktion noch ganz auf konventionelle Fahrzeuge ausgerichtet.

Nach aktuellen Zahlen des Wirtschaftsverbandes der Deutschen Kautschukindustrie (WDK) für das Jahr 2016 arbeiteten 74 800 Menschen in der Branche, davon 24 300 in der Reifenindustrie, jeweils ein leichter Rückgang zum Vorjahr. Während Arbeitsplätze in der Produktion und der Logistik gestrichen wurden, fehlen Facharbeiter und Ingenieure. Der Umsatz lag bei 11,3 Milliarden Euro, davon entfielen auf die Reifenindustrie knapp fünf Milliarden Euro. Die Einführung eines EU-Reifenlabels im Jahr 2012 – es gibt an, wie gut ein Reifen auf nasser Straße bremst, wie der Kraftstoffverbrauch ist und wie laut er abrollt – hat laut WDK dazu geführt, dass verstärkt Reifen mit einem höheren Rollwiderstand hergestellt werden, die eine höhere Laufleistung und Nutzungsdauer versprechen.

Allerdings ist den Angaben nicht immer zu trauen: Die Überprüfung der Effizienzklassen durch das Landesamt für Mess- und Eichwesen Rheinland-Pfalz und das Landeseichamt Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr bei 31 Lkw-Reifentypen zeigte, dass bei neun Reifen die Effizienzklasse tatsächlich schlechter war als von den Herstellern angegeben. Dabei handelt es sich laut WDK ausschließlich um Unternehmen, die nicht ihrem Verband angehören. Gegen diese Hersteller wurden ordnungsrechtliche Maßnahmen eingeleitet. Sie wurden aufgefordert, ihre falschen Angaben zu korrigieren.

Zeppelin kauft zu

Der Münchener Baumaschinenhändler Zeppelin, der über die Zeppelin-Stiftung der Stadt Friedrichshafen gehört, kauft den italienischen Anlagenbauer Nuova Ciba. Damit baut der Konzern, der 2016 mit rund 7700 Mitarbeitern einen Umsatz von 2,36 Milliarden Euro erwirtschaftet hat, seine in Friedrichshafen ansässige Sparte Anlagenbau aus. Der Zukauf werde „die Marktposition im Bereich Gummi- und Reifenherstellung weiter stärken“, teilte das Unternehmen am Mittwoch mit. „Der Betriebserfolg im Segment Gummi- und Reifenindustrie steht und fällt mit der exakten Mischung der Rohstoffe. Die Übernahme ist ein weiterer Schritt zur nachhaltigen Stärkung unserer Lösungskompetenz“, sagt Zeppelin-Systems-Chef Rochus Hofmann. (sz)

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