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Mehr Wirtschaftlichkeit in der Reifenindustrie

22.09.2021

Mehr Wirtschaftlichkeit durch innovative Technologien und Verfahren

Bei der Herstellung von Reifen kommen vermehrt sogenannte Performance Materialien zum Einsatz. Sie setzen sich aus verschiedenen Additiven mit unterschiedlichen Eigenschaften zusammen und erfordern ein hohes Know-how, um deren Beschaffenheit im Produktionsprozess aufrechtzuerhalten und  die gewünschte, gleichbleibend hohe Qualität zu liefern. Dies ist nur ein Aspekt, der die Komplexität im Rahmen des Herstellungsprozesses erhöht. Denn auch die Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit steigen stetig. Ein besonderes Augenmerk verdienen hier die Betriebskosten, deren Optimierung bei jedem Hersteller weit oben auf der Agenda stehen. Der Spezialchemiekonzern Evonik Industries und der Anlagenbauer Zeppelin Systems zeigen in enger Zusammenarbeit, wie der Einsatz von innovativen Produkten und Verfahren sowohl die Eigenschaften der Reifen verbessert als auch die verschiedenen Produktionslinien noch wirtschaftlicher macht.

Um einen Produktionsprozess zu optimieren, bedarf es der Berücksichtigung unterschiedlicher Faktoren. Hierzu zählen unter anderem die Minimierung von CAPEX und OPEX, ein nachhaltiges Management von Schadstoffen und Emissionen sowie das Vermeiden von Müll. Aber auch der Einsatz von Materialien in Verbindung mit der entsprechenden Verfahrenstechnik reduziert die Betriebskosten und sorgt für eine gleichbleibende oder sogar verbesserte Produktqualität. So gehört zum Beispiel der Einsatz von Flüssigkeiten zum Standard typischer Rezepturen in der Gummi- und Reifenindustrie. Sie senken während der Verarbeitung die Viskosität oder leisten als funktionale Additive einen wichtigen Beitrag zu verbesserten Eigenschaften der Reifen. Bisher sind flüssige Rohstoffe vor allem vor allem als Verarbeitungshilfe in Form von Prozessölen üblich. Mit einem Anteil von bis zu 15 Prozent dienen sie als Weichmacher und verbessern die Verarbeitungseigenschaften. Allerdings verschlechtern sich die Performance sowie sicherheitsrelevante Eigenschaften, wie etwa das Bremsverhalten. Daher setzen viele Reifenhersteller als Alternative flüssige Polybutadiene, sogenannte Liquid Butadiene Rubbers (LBRs), ein. Aufgrund ihrer chemischen Struktur können LBRs während der Vulkanisation reaktiv eingebunden werden und bilden so feste, permanente (kovalente) chemische Bindungen. Das verhindert das Risiko der Stoffmigration, was die Versprödung der Reifen verzögert und deren Qualität länger aufrechterhält. Der Fahrer nutzt den Reifen somit länger und schont gleichzeitig die Umwelt. Neben den nachhaltigen Aspekten verbessert der Einsatz von LBRs wichtige Leistungskriterien, wie etwa die Haftung auf Schnee und Eis. Für die Herstellung selbst ergeben sich durch den Einsatz von LBRs weiterhin Vorteile im Mischprozess, denn sie senken die Viskosität in den ersten Mischschritten und beeinflussen die mechanischen Eigenschaften positiv. Die hieraus resultierenden Vorteile erlauben eine optimale Abstimmung der Gummimischungen auf die jeweiligen Bedürfnisse. Dies belegen bereits vielfältige Laborstudien.

Hohe Produktivität durch innovatives Dosiersystem

Mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit haben flüssige Polybutadiene einen entscheidenden Vorteil: Sie lassen sich nicht nur schneller und gleichmäßiger vermischen, sondern sparen, beim Einsatz des richtigen Dosiersystems, bis zu vier Sekunden pro Mischvorgang. Dies ermöglicht dem Hersteller, bis zu 20 weitere Chargen pro Tag zu planen und gleichzeitig die Mischgüte und Reproduzierbarkeit der Rezeptur zu verbessern. Anlagentechnisch stellen die polymeren flüssigen Rohstoffe hohe Ansprüche an die Handhabung solcher Additive. Denn der Produzent muss viele verschiedene Rohstoffe in der richtigen Reihenfolge, sicher und spezifikationsgerecht so vermischen, dass sie die gewünschte Qualität ergeben. Gleichzeitig muss der Zeitaufwand so gering wie möglich sein, um eine hohe Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Produktionslinien für unterschiedliche Compounds zu sichern. Besonders anspruchsvoll sind hier die exakte Dosierung und das präzise Timing beim Einbringen flüssiger Rohstoffe mittels Ölwaagen und Pumpen.

Da die Anforderungen an Gummi-Compoundsysteme stetig steigen und funktionale Additive oder LBR’s in immer größeren Mengen eingesetzt werden, hat der Anlagenbauer Zeppelin Systems dafür eigens eine innovative Lösung entwickelt, die diesen Anforderungen gerecht wird: das Liquid Dosing System. Das vollautomatische und geschlossene System besitzt ein besonderes Einspritzventil, ein volumetrisches Dosiersystem, das die exakte Dosierung der flüssigen Rohstoffe garantiert und für gleichbleibende Eigenschaften der Compounds sorgt. Dies erhöht die Reproduzierbarkeit und verringert im Vergleich zu herkömmlichen Systemen die Notwendigkeit der Überdosierung um Eigenschaften sicher zu erreichen und spart damit erhebliche Mengen an teuren Additiven ein.

Über ein Einspritzventil am Mischer können (nacheinander) nahezu vermischungsfrei bis zu sechs Flüssigkeiten eingespritzt werden – mit niedriger und hoher Viskosität. Die Konstruktion schließt eine Rückvermischung aus. Die Flüssigkeiten befinden sich dabei in einem geschlossenen System. Querkontamination oder der Kontakt der Mitarbeiter mit den Flüssigkeiten oder deren Aerosolen können dabei ausgeschlossen werden. Dies bietet dem Anwender eine sehr hohe Sicherheit im Prozess und schützt ihn gleichzeitig vor Aerosolen in seiner Arbeitsumgebung.

Funktionalisierte Polybutadiene: nachweislich mehr Performance

Der deutsche Spezialchemiekonzern Evonik Industries setzt nun einen Trend in der Herstellung flüssiger Rohstoffe: den Einsatz Silan-funktionalisierter Polybutadiene als Spezialadditive für die Gummiherstellung. Die neue Technologie, basierend auf POLYVEST® ST, verbindet die bereits positiven Eigenschaften der klassischen LBRs mit noch höherer Performance. Bei den funktionalisierten Polybutadienen handelt es sich um flüssige Polybutadiene mit endständigen Silangruppen. POLYVEST® ST wird typischerweise in der Lauffläche eingesetzt und unterstützt in Silica gefüllten Reifen die Verteilung des Füllstoffs in der Gummimatrix.

Chemisch betrachtet verbinden sich die endständigen Silangruppen mit der Oberfläche der hydrophilen Silicapartikel, während die hydrophobe Polymerkette eine ausgezeichnete Kompatibilität mit der Gummimatrix gewährleistet. Die Optimierung der Kompatibilität von Füllstoff und Gummi verbessert wichtige Kerneigenschaften wie den Rollwiderstand und verringert den Abrieb. Die Reduzierung des Rollwiderstands wirkt sich wiederum positiv auf den Energieverbrauch aus, verbessert die Reichweite von Elektrofahrzeugen und senkt die Freisetzung des klimaschädlichen Kohlenstoffdioxids. Umfangreiche Labortests von Evonik haben gezeigt, dass der Einsatz von POLYVEST® ST typische Indikatoren wie den tan (60°C) (Grafik) und Abrieb deutlich reduziert. Diese positiven Effekte treten dabei umso deutlicher hervor je größer der Anteil des Füllstoffs ist. Auch der Einsatz von Naturkautschuk, als Haupt- oder Teilkomponente, in Verbindung mit POLYVEST® ST wirkt sich positiv aus. Neben den Vorteilen der Performance ergeben sich durch den Einsatz funktionalisierter flüssiger Polybutadiene auch handfeste Vorteile für den Compounder, besonders die partielle Substitution von Öl, die Altersbeständigkeit sowie die Verlängerung der Scorch Zeit.

Liquid Rubber: hohe Anforderung an die Handhabung

Der Anlagenbauer Zeppelin Systems hat in seinem Technikum die Dosierung und das Einspritzverhalten von POLYVEST® ST mit der Technikumsanlage für Liquid Dosing umfangreich untersucht. Das modular aufgebaute Zeppelin Liquid Dosing System dosiert die unterschiedlichsten Flüssigkeiten wie Öle, Wachse und chemische Additive sehr präzise. Die Flüssigkeiten werden in Tanks, IBC’s, Fässern oder Vorratsbehälter, teilweise temperiert, bereitgestellt. Beim Befüllen des Dosierzylinders wird sorgfältig darauf geachtet, sodass der Zylinder das Medium kavitationsfrei aufnehmen kann. Nach dem Füllvorgang erfolgt der sogenannte Air Check: Der Zylinder überprüft, ob beim Befüllen keine Luft in der Flüssigkeit eingeschlossen ist, indem das Medium komprimiert wird. Anschließend erfolgt die Feindosierung. Eine Online-Dichtemessung in der Ringleitung sorgt hierbei für eine präzise Bestimmung der Mediumsdichte. Beim anschließenden Einspritzvorgang wird das Medium über das Einspritzventil in einen Behälter auf einer hoch aufgelösten Waage injiziert. Somit kann die Menge, die später im Mischer ankommt grammgenau verwogen und Abweichungen sofort festgestellt werden.

Ein fester Bestandteil jedes Liquid Dosing Versuchs im Zeppelin Technikum sind cpk-Tests bei verschiedenen Einstellparametern. Diese geben aussagekräftige Ergebnisse über die Genauigkeit und die Wiederholgenauigkeit des Systems bei verschiedenen Sollgewichten. POLYVEST® ST erzielte durchweg sehr gute cpk-Ergebnisse; der Maschinenfähigkeitsindex liegt bei >1,67.

Die Versuche mit POLYVEST® ST zeigten, dass es möglich ist, das Medium präzise zu dosieren und problemlos in den Mischer einzuspritzen. Über nur ein einziges Einspritzventil konnten Durchsätze von bis zu 90 l/min erreicht werden.

Fazit: Optimierte Prozesse und Verfahren beeinflussen die Betriebskosten

Flüssige Polybutadiene, wie z. B. POLYVEST® ST, bieten große Vorteile für die Eigenschaften der Gummimischung, stellen aber nicht nur aufgrund ihrer teilweise hohen Viskosität hohe Anforderungen an die Dosier- und Einspritzanlage. Hochpolymere Flüssigkeiten zeigen neben hoher Viskosität auch besondere rheologische Eigenschaften, die eine präzise und schnelle Handhabung erschweren. Die sichere Handhabung gelingt besonders gut mit geschlossenen Systemen.

Ist ein leistungsfähiges Zeppelin Liquid Dosing System vorhanden, können auch mit Füllstoff stabilisierte flüssige Additive, mitunter als Dry-Liquid bezeichnet, als reine Flüssigkeiten ohne Trägerstoff oder Wachse in geschmolzener Form eingesetzt und das System erweitert werden. Dies reduziert die Kosten für die Chemikalien signifikant und vermeidet zusätzlich Entsorgungskosten durch die Einsparung der Gebindeverpackungen. Darüber hinaus bietet Zeppelin Systems ein sehr hohes Maß an Sicherheit mit dem Liquid Dosing Systems, indem das Unternehmen einen vorinstallierten, getesteten Aufbau – ein sogenanntes SKID-System – anbietet. Dies reduziert nicht nur die Montagezeit, sondern es lässt sich auch sehr leicht per Gabelstapler an einen anderen Standort verlagern. Damit setzt der Anlagenbauer einmal mehr einen Akzent in Richtung Optimierung von Prozessen und Kundenzufriedenheit.

Der Technologieführer weist weltweit 80 realisierte Anlagenprojekte bei namhaften Reifenherstellern auf und bietet interessierten Industriebetrieben Startpakete an, um ihnen die Möglichkeit zu geben, das Liquid Dosing System im Livebetrieb zu testen. Das Starterpaket beinhaltet vier Module, die mit jedem Mischer kompatibel sind. Per Plug-and-Play lässt sich das System schnell und einfach installieren, damit es beweisen kann, was es verspricht: eine schnelle, sichere und absolut exakte Dosierung.  

 

Autoren:

Guido Veit, Vice President Projects, Zeppelin Systems GmbH

Dr. Sara Liébana Viñas Technical Marketing Coating & Adhesive Resins, Evonik Industries AG

 

* Standard Green Tire Recipe: Reference: S-SBR (oil extended) 96.3phr; BR 30phr; Silica (Ultrasil 7000 GR) 90phr, Sulfur-silane(Si 266); 6.53phr ; Sulfur 2.0phr; Compound 1: POLYVEST® EP ST-E 60 0.0phr, Process oil (TDAE) 8.75phr; Compound 2: POLYVEST® EP ST-E 60 5.0phr, Process oil (TDAE) 8.75phr; Compound 3: POLYVEST® EP ST-E 60 5.0phr, Process oil (TDAE) 3.75phr;

 

Technikum_groß

Technikum-Testaufbau im Industriemaßstab: vorbereitet für die Tests mit dem flüssigem, silan-funktionalisierten Polybutadien POLYVEST® ST